Diskussionsthemen

Mindestlohn und HARTZ IV

Offensives Eintreten für linke Forderungen notwendig!

 

Artikel veröffentlicht im Blickpunkt 03/2009, Autor: Jürgen Keil

 

Seit Einführung des Hartz-IV-Gesetzes am 1. Januar 2005 stieg der Druck auf die Lohn- und Gehaltsempfänger enorm an. Seit dieser Zeit sind in vielen Branchen und Arbeitsbereichen die Löhne und Gehälter vor allem im unteren Bereich stark abgesenkt worden. Vor allem die Einführung des „Ein-Euro-Jobs“, zu dem ein HARTZ-IV-Betroffener zwangsverpflichtet werden kann, erhöht den Druck auf die Beschäftigten. Dies führte dazu, dass viele Arbeiten einem Wertverfall preisgegeben sind. Solange nicht erreicht wird, dass die geleistete Arbeit gerecht bewertet und durch eine gerechte Bezahlung entlohnt wird, kann diese Tendenz nicht aufgehalten werden. Die jetzige Gesellschaft ist sehr weit entfernt von der alten gewerkschaftlichen Forderung: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“ (Arbeit ist entsprechend der Leistung zu entlohnen.)

Zur derzeitigen Situation trug die HARTZ-Koalition (SPD/GRÜNE- Regierung und CDU/ CSU /FDP- Opposition) in den Jahren 2003 bis 2004 bei. Sie initiierten und führten die HARTZ-Gesetze ein. Sie übertrafen sich damals häufig hinsichtlich von Vorschlägen zur Veränderung der Sozialgesetze. Sie nannten die sozialen Verschlechterungen für die abhängig Beschäftigten – scheinheilig – Sozialreformen.

Die Absenkung der realen Löhne und Gehälter erfolgte seitdem vielfach unbemerkt. Viele kleine und mittlere Betriebe entließen einen Teil ihrer Mitarbeiter, auch langjährige Betriebsangehörige, und haben wenig später einen Teil ihrer alten Mitarbeiter bzw. neue Mitarbeiter unter wesentlich schlechteren Bedingungen wieder angestellt.

Andere Unternehmen nutzen das Angebot der Arbeitsagentur (AA) bzw. der ARGE (Arbeitsgemeinschaft zwischen AA und Landkreisverwaltung). Dies heißt Anstellung von Arbeitslosen zu unbezahlten Praktika- und Trainingsmaßnahmen an den betrieblichen Anlagen zur angeblichen Förderung der „Arbeitsbereitschaft dieser Arbeitslosen“. Diese Maßnahmen  (bis zu 3 Monaten)  werden von zahllosen Unternehmen gerne genutzt und dies ist verständlich, da die Gewinne der Betriebseigner dadurch oft maßlos ansteigen. Die „Praktikanten“ führen die gleichen Arbeiten im Betrieb oder in der Arbeitsstätte aus, wie die Festangestellten. Ein großer Teil dieser „Praktikanten“ erhalten auch nach dieser Zeit keine Festanstellung. In der Region nutzen mittlerweile zahlreiche Unternehmen diese Art der Beschäftigung, das heißt, ein bestimmter Anteil der Arbeitskräfte sind ständig in diesen Betrieben als „Praktikanten“ beschäftigt. Das Ansteigen dieser Form der Beschäftigung bewirkt, dass die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten trotz des von den Medien bis 09/2008 glorifizierten Aufschwungs stark gesunken ist. Gleichzeitig sind in den letzten Jahren die realen Löhne und Gehälter im Durchschnitt gesunken und dies trotz Steuersenkung. Im Gegensatz sind dazu die Einnahmen der Reichen und Mächtigen durch die großzügigen Steuergeschenke stark angestiegen.

Um zu verhindern, dass sich die Beschäftigten, die Arbeitslosen und die Rentner zu gemeinsamen Aktionen entschließen, wird von den Herrschenden alles unternommen, die genannten Gruppen gegeneinander aufzubringen. Dies geschieht auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Häufig werden Arbeitslose diffamiert, z. B. sei hier an die Faulenzer-Debatte unter der Schröder-Regierung und an herabwürdigende Vorschläge (z. B. Rattenfang zur Aufbesserung der HARTZ-IV-Almosen vom FDP-Fraktionsvize im Berliner Abgeordnetenhaus) erinnert. Die neueste Aussage des Vorsitzenden der Jungen Union des Herrn Mißfelder besagte: „Erhöhung der Regelsätze ist ein Anschubprogramm für die Spirituosen- und Tabakindustrie.“ Er schlug vor, Gutscheine statt Bargeld auszugeben. Die Aussage des jungen Herrn zeigt, dass die Herrschenden die Arbeitslosen, insbesondere die HARTZ-IV-Betroffenen, als verkrachte Existenzen in der Öffentlichkeit darstellen wollen.

Ein Vertreter des Finanzkapitals, der Lehrstuhlinhaber Prof. Friedrich Thießen für „Investmentbanking“ an der TU Chemnitz, erstellte im Herbst 2008 ein Gutachten zur Herabsetzung des HARTZ-IV-Regelsatzes auf Hungerlohnniveau (132,- €/ Monat). Lehrstuhl und Inhaber desselben werden von der Commerzbank finanziert. Welch ein Wunder? Eine Bank deren Verluste im Investment-Geschäft inzwischen viele Milliarden € betragen. Diese Verluste soll wiederum der so genannte „Steuerzahler“ tragen. Das heißt: „Die Herrschenden wollen die Verluste jetzt sozialisieren, um die zukünftigen Gewinne wieder privatisieren zu können.“

Mittlerweile haben selbst gemeinste Aussagen oder Vorschläge für die Vertreter der Herrschenden keine Auswirkungen. Sie behalten in der Regel ihre Posten. Viele Debatten in dieser Richtung werden vor Wahlen bzw. kurz vor oder in Krisenzeiten angezettelt. Diese Diskussionen dienen der Vorbereitung zur Durchführung weiterer unsozialer Maßnahmen. Meist werden parallel dazu Debatten zur nationalen Sicherheit geführt. Die Legalisierung von Telefon-Abhöraktionen und Online-Durchsuchungen zeigt, dass es nicht nur um die Bekämpfung des Terrors geht. Was muss DIE LINKE tun, um der Hetze und Diffamierung entgegen zu treten. Vor allem sind solidarische gemeinsame Aktionen notwendig. Im Mittelpunkt dieser Aktionen sollten z. B. folgende Forderungen bzw. Aussagen stehen:

  •  Eintreten für den gesetzlichen Mindestlohn (> 8,- €), die nächste Gelegenheit ist am 1.Mai,
  • Ablehnung der faktischen Rechtlosigkeit der ALG-II-Betroffenen,
  • keine Akzeptanz der derzeitigen Einschränkung demokratischer Grundrechte,
  • Beseitigung der Vorbedingungen für Sozialleistungen, Erhöhung sozialer Leistungen (dabei ist beides notwendig: Aktionen zur Verbesserung der Grundabsicherung sowie Diskussionen zur Entwicklung der Vision „Grundeinkommen“, um dieses Basiseinkommen zukünftig umsetzen zu können),
  • Einforderung der sozialen Verpflichtung der Mächtigen entsprechend Grundgesetz „Reichtum verpflichtet“, dazu gehört die Erhöhung der Vermögenssteuer für Reiche und der Einkommensteuer für sehr hohe Einkommen,
  • Einführung einer Bürgerversicherung (solidarische Beteiligung aller Bürger im erwerbsfähigen Alter an der Rentenversicherung),
  • solidarische Finanzierung der Gesundheitsfürsorge, Patientenbehandlung unabhängig vom Einkommen bzw. Vermögen,
  • für gute Arbeit, gute Löhne und gute Renten

 

Diese Forderungen sind nicht neu. Zur Umsetzung bedarf es aber gemeinsamer Anstrengungen. Die Linken müssen sich der derzeitigen undemokratischen und unsozialen Entwicklung energisch entgegen stellen. Die Gruppe „Gutzeit“ aus Hamburg tut dies mit ihrem Song „Hartz IV“. Im Refrain dieses Liedes heißt es:

„Ein Schrei geht durch das Land.


   Hartz IV macht arm und krank.


     Hartz IV, dass ist nur Dreck.


                 Pack mit an -


           der Dreck muss weg,


                 pack mit an.“