Persönliches Fazit über einen der „Schlüsseltage“ in der Geschichte Deutschlands, den 17. Juni 1953

Von Dipl. Hist. Wolfgang Kutz, Blickpunkt 07/2013;

Der 17. Juni 1953 wird u. a. in jedem Jahr von einschlägigen Medien und mehr oder weniger belesenen Politikern genutzt, um jegliche positive Erinnerung an die DDR zu kriminalisieren. Dabei ist auch in diesem Jahr, nach 60 Jahren bemerkenswert, dass diese Leute immer noch nicht gelernt haben sich sachlich mit diesem, doch recht umstrittenem geschichtlichem Ereignis in der Geschichte der DDR auseinander zu setzen.

 

 

Von Dipl. Hist. Wolfgang Kutz, Blickpunkt 07/2013

 

Der 17. Juni 1953 wird u. a. in jedem Jahr von einschlägigen Medien und mehr oder weniger belesenen Politikern genutzt, um jegliche positive Erinnerung an die DDR zu kriminalisieren. Dabei ist auch in diesem Jahr, nach 60 Jahren bemerkenswert, dass diese Leute immer noch nicht gelernt haben sich sachlich mit diesem, doch recht umstrittenem geschichtlichem Ereignis in der Geschichte der DDR auseinander zu setzen. Zudem die Nachwendegeneration wenig, wenn überhaupt etwas mit diesem Datum anfangen kann. Deshalb habe ich mich doch einmal tiefgründiger mit den Ursachen und Hintergründen des „Volksaufstandes“ oder dem sogenannten „Tag X“ von 1953 beschäftigt. Es gibt ja nicht nur Quellen und Zeitzeugen der Geschichte von „Betroffenen“, sondern auch Berichte und Veröffentlichungen von unvoreingenommenen und seriösen Historikern und Politikern zu diesem Thema. Diesen sollte sich der Eine oder Andere unbedingt ebenfalls widmen.

Darin kann man zum Beispiel nachlesen, dass die innenpolitische Situation in den sozialistischen Ländern nach dem Tod von Stalin am 05. 03. 1953 sehr unübersichtlich geworden war. Es fehlte an einer klaren Orientierung. In der Sowjetunion spielten sich interne Machtkämpfe ab. Das für Sicherheitsfragen zuständige Politbüromitglied Berija entwickelte den sogenannten „Berija-Plan“. Darin bekundete die Sowjetunion ihre Bereitschaft ein neutrales Gesamt - Deutschland zu schaffen. Bereits im Frühjahr 1952 hatte die Sowjetmacht die sogenannte „Stalin-Note“ veröffentlicht, in der vorgeschlagen wurde, obwohl es die BRD und die DDR bereits gab, über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, auf der Grundlage freier Wahlen zu verhandeln. Die westlichen Siegermächte und der damalige Bundeskanzler Adenauer lehnten dieses Angebot jedoch ab. Damit wurde der Grundstein für das 40 Jahre lange Bestehen zweier deutscher Staaten gelegt. Der Berija-Plan in seiner Form nun, stellte die junge DDR zum Verkauf und man erwartete dafür von den anderen Siegermächten 10Millionen Dollar für den Wiederaufbau der Sowjetunion.

Das war natürlich nicht in deren Interesse. Die damalige Politik des „Roll back“ der westlichen Siegermächte, von J.F. Dulles (US-Außenminister) proklamiert, also des Zurückdrängens des Einflusses des sozialistischen Weltsystems, wie es nach 1945 entstanden war, ließ solch einen Handel, der ein Erstarken der Sowjetunion zur Folge gehabt hätte, nicht zu. Um der, u.a. durch die unvorhergesehenen Verteidigungsausgaben der DDR seit 1952 entstandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten entgegen zu steuern, fasste die DDR-Regierung bereits am 28. Mai 1953 den Beschluss zur Einführung umfassender Normerhöhungen.

Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in der Sowjetunion und in denen von ihr abhängigen jungen sozialistischen Staaten wurden am 2. Juni 1953 Partei- und Regierungsrepräsentanten der DDR, aber auch Polens und Ungarns nach Moskau beordert. Grotewohl und Ulbricht waren u.a. Mitglieder der Abordnung der DDR. Sie wurden gedrängt, nach sehr zähen und kontroversen Verhandlungen mit der damaligen Sowjetregierung, eine neue vorgegebene Politikvariante innerhalb von 4 Tagen auszuarbeiten. Dieses Papier vom „Neuen Kurs“ musste am 10. Juni 1953 auf Drängen der Sowjetmacht im „Neuen Deutschland“ veröffentlicht werden. Die daraufhin einsetzenden Fehlerdiskussionen in den Betrieben und Einrichtungen entgingen natürlich nicht dem „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands“ der damaligen Bonner Regierung.

Autorisierte Quellen belegen, dass sich vom CIA und von der Vorgängerin des BND – der Organisation Gehlen – insgesamt ca. 2000 bezahlte Personen auf DDR-Gebiet befanden. Der 16. Juni 1953 war bereits geprägt von Demonstrationen unzufriedenen Berliner Bauarbeiter. Zeitzeugen berichten, dass ab Mittag desselben Tages randalierende Jugendliche aus Westberlin sich unter die bis dahin zwar zornigen aber friedlichen Streikenden mischten. Es wird auch darüber berichtet, dass anfänglich die Volkspolizei den Demonstranten den Weg frei hielt und erst eingegriffen hat, als es zu Ausschreitungen kam. Unabhängig von einander berichten u.a. zwei Zeitzeugen, dass sie es schon sehr eigenartig empfanden, als mit unbefleckten, blütenweißen Maurerklamotten bekleidete Leute Reden hielten und Parolen wie „Freiheit, Aufstand und Revolution“ von sich gaben. Anderen ging es nicht nur darum, die Stimmung anzuheizen, sondern auch direkt zu Gewalt und Brandstiftung aufzufordern.

Wichtig zu wissen ist auch, dass der bekannte SPD-Politiker Egon Bahr, zum damaligen Zeitpunkt Chefredakteur des RIAS (Radio im Amerikanischen Sektor) sich dazu bekennt, dass am Nachmittag des 16. Juni Leute, er bezeichnet sie als Abgesandte eines „Streikkomitees“, zu ihm in den Sender gekommen sind, die ihn aufforderten der Sender solle zum Aufstand in der Zone aufrufen. Obwohl er wusste, dass es ohne Organisation keine „Revolution“ geben kann, formulierte Egon Bahr fünf Hauptforderungen, die dann auch gesendet wurden. Absetzung der Regierung; freie und geheime Wahlen;Senkung der HO-Preise bzw. Liquidierung der HO (erste unter Staatskontrolle stehende Handelsorganisation der DDR) Freilassung der politischen Gefangenen und Herabsetzung der Normen.

Die Ursache der Unzufriedenheit der Streikenden erscheint eigenartigerweise erst an 5. Stelle. Bahr äußert dann auch an anderer Stelle, dass es den „Aufstand“ ohne den RIAS so nicht gegeben hätte. Im Ergebnis des Aufrufes begaben sich Scharen von westlichen Provokateuren nach Berlin-Ost und in die Ballungsgebiete der DDR. Die These, dass der „Aufstand durch sowjetische Panzer beendet wurde“, wird durch den Historiker Arnulf Bahring widerlegt. Er schrieb bereits 1965  „Der Aufstand ist nicht durch sowjetische Panzer niedergewalzt worden. Der revolutionäre Wille war schon gebrochen als die Russen aufmarschierten.“ Prof. Dr. Arno Lange artikulierte seine Meinung ebenfalls bereits vor längerer Zeit zum Thema 17. Juni 1953 in dem er u.a. schrieb: „Die DDR war ganze drei Jahre alt, lag in ihren politischen Windeln. Man zeige mir weltweit einen Staat, der in Gründerzeiten keine Querelen hatte. Von daher dann ein fast halbes Jahrhundert DDR – Entwicklung zu bewerten, ist wissenschaftlich unseriös, ist widersinnig.“

Mein persönliches Fazit über einen der „Schlüsseltage“ in der Geschichte Deutschlands, den 17. Juni 1953:
Die sowjetische Besatzungsmacht hat den damals noch ungefestigten Machtorganen der DDR geholfen, die von außen geschürten unorganisierten Putschansätze in einigen Städten zu unterbinden sowie die Souveränität ihres jungen Staates zu bewahren. Die Recherchen ergeben, dass etwa 6 – 8 % der DDR-Bürger ihren Unmut in Form von Streiks, Ausschreitungen und Demonstrationen Luft gemacht haben. Ich bin der Meinung, dass man in Anbetracht dieser Zahlen nicht von einem „Volksaufstand“ reden kann. Die fehlenden strukturellen Voraussetzungen lassen auch nicht die Formulierung von „Revolution“ zu.