Diskussionsthemen

Änderungen in der Land- und Forstwirtschaft

Warum befasst sich DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt erneut mit der Bodenreform?  

Fraktion DIE LINKE am 11.12.2009  im Landtag:

„Keine Revision der Ergebnisse der Bodenreform zulassen“ (Antrag-Drs. 5/2302),
Auszug aus dem Redebeitrag von Hans-Jörg Krause (MdL)

MdL Hans-Jörg Krause
Mitglied der Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt DIE LINKE.

 

17.12.2009

Anlass dafür ist der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. Hier wird an zwei Stellen angekündigt, dass sich die Bundesregierung für „Verbesserungen beim Flächenerwerbsänderungsgesetz im Sinne der Alteigentümer einsetzen“ und „Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb“ anbieten will.

Dazu muss man wissen, dass noch bis zum 31.12.2009 ein so genanntes Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) Bestand hatte. Nach diesem Gesetz war / ist ein bestimmter Personenkreis berechtigt, Treuhandflächen in einem begrenzten Umfang zu begünstigten Preisen zu erwerben (begünstigter Flächenerwerb).  Darunter waren Agrargenossenschaften, Wieder- und Neueinrichter von landwirtschaftlichen Betrieben und eben auch Enteignete aus der Bodenreform (Alteigentümer).

Obwohl dieses EALG genügend Stoff zur Auseinandersetzung lieferte, weil es nach wie vor gerade Agrargenossenschaften und andere Gemeinschaftsunternehmen benachteiligte, haben sich betroffene Genossenschaftler und wohl auch ihre Interessenvertretungen angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse mit dem EALG abgefunden.

Aus Sorge davor, dass ihnen die Flächen unter dem Pflug weggekauft werden, haben die Landwirte (sie mussten über langfristige Pachtverträge verfügen) mehr oder weniger die begrenzten Möglichkeiten des begünstigten Flächenerwerbs ausgeschöpft. Das war angesichts der Kapitalausstattung der hiesigen Unternehmen nicht immer unproblematisch.

So blieb das „Interesse“ der heutigen Pächter am begünstigten Erwerb landwirtschaftlicher Flächen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Es wurden in Sachsen-Anhalt ca. 11.300 ha weniger verkauft als seitens der Bodenverwertungs- und verwaltungs- GmbH (BVVG) geplant waren.

Insgesamt sind in Sachsen-Anhalt aktuell noch insgesamt 78.000 ha (über alle neuen Bundesländer 424.000 ha) in der Hand der BVVG.

Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen „Verbesserungen“ des Flächenerwerbsänderungsgesetzes zielen darauf ab, dass ab dem 01.01.2010 nur noch für die Alteigentümer ein begünstigter Flächenerwerb möglich ist.

Das sind Berechtigte, die dem § 3, Abs.5 des EALG unterliegen, denen also „ land- oder forstwirtschaftliches Vermögen entzogen worden ist und bei denen die Rückgabe ihres ursprünglichen Betriebes aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist oder denen solche Vermögenswerte durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden sind.“ Und damit sie sich dabei auch wirklich schadlos halten, soll ihnen mit der vorgesehenen „Verbesserung“ des Flächenerwerbsänderungsgesetzes ermöglicht werden, zu einem Preis kaufen zu können, der zum Stichtag 01.01.2004 galt. Hintergrund ist der, dass für bestimmte Leute der Flächenerwerb subventioniert werden soll, weil die Preise inzwischen angestiegen sind. Wer aber schützt die bedürftigen Menschen und Familien, wenn soziale Leistungen, Bildung und Kultur teurer werden?

Es ist schon bemerkenswert, wie unbekümmert und zielstrebig gerade die FDP Bundespartei, kaum ist sie erneut an der Macht, ihren alten Faden wieder aufgenommen hat und Lobbyarbeit für die Alteigentümer betreibt und dafür sorgt, dass die über die Bodenreform Enteigneten “für’n Appel und’n Ei“ ihre Flächen zurückkaufen können.

Das läuft auf eine schleichende Revision der Ergebnisse der Bodenreform hinaus und ist außerdem ein Angriff auf den Einigungsvertrag von 1990.

Erinnert sei daran, dass es in der Volkskammer zur Zeit der de Maiziére- Regierung einen für die damaligen Verhältnisse einmaligen breiten Konsens über alle Parteien gab, so wörtlich:

„Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen.“

Das hat auch die Regierung Kohl akzeptiert und damit fand dieser Grundsatz seinen Platz in der „Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen“ (vom 15. Juni 1990) und wurde als Anlage zum Bestandteil des Einigungsvertrages.

Besorgnis erregend ist außerdem, dass langsam vergessen wird, dass von der Bodenreform nicht nur Eigentümer über 100 ha betroffen waren (wozu es ja durchaus berechtigten Diskussionsbedarf gab), sondern zum größten Teil aktive Nazis und Kriegsverbrecher enteignet worden sind.

Man sollte sich auch daran erinnern, dass es vor allem Flüchtlinge und Übersiedler waren, die damals den Boden erhielten und dass ein Großteil von diesen Bodenreformlandbesitzern und deren Erben ab 1992 wieder zielstrebig entschädigungslos enteignet worden sind.

Für diese Menschen waren die Regierenden nicht bereit etwaige Gesetze oder Verordnungen so auszulegen oder zu ändern, dass ihnen geholfen werden konnte.

Im Gegenteil, es wurden sozialistische Verordnungen reinsten Wassers (wie die Besitzwechselverordnung) wieder aktiviert, um den so Betroffenen unter völlig anderen Voraussetzungen den Boden entziehen zu können. Wenn das, was jetzt in der Koalitionsvereinbarung steht, wirklich umgesetzt wird, ist das nicht nur die unverblümte Revision der Ergebnisse der Bodenreform, sondern eine himmelschreiende Ungerechtigkeit gegenüber den enteigneten Bodenreformlandbesitzern und deren Erben.

Außerdem läuft eine solche Politik darauf hinaus, dass massenhaft Kapital vom ländlichen Raum und von der hiesigen Landwirtschaft abfließt. Aber das ist ein weiteres Thema.