Podiumsdiskussion im Rathaus zum Thema „Rechtlos bei Hartz IV“

Heftig und erregt diskutierten am 01. November 2007 im Bitterfelder Ratssaal viele ALG-II-Betroffene mit Juristen und Politikern aus der Kommune, dem Land und dem Bund. Die Veranstaltung organisierte der Arbeitslosenselbsthilfeverein vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld.

Heftig und erregt diskutierten am 01. November 2007 im Bitterfelder Ratssaal viele ALG-II-Betroffene mit Juristen und Politikern aus der Kommune, dem Land und dem Bund. Die Veranstaltung organisierte der Arbeitslosenselbsthilfeverein vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Die Anfragen und Meinungen von den über 100 Teilnehmern zeigten, dass der Bedarf an Hilfe und Information gewaltig ist.

Auf dem Podium moderierte Dagmar Zoschke die Diskussion. Rechts und links neben ihr hatten sich Werner Rauball (SPD, Bitterfelds Bürgermeister), Jan Korte (Die Linke, MdB), Halina Wawzyniak (Die Linke, Juristin), Ute Winkler (Präsidentin des Landessozialgerichtes i.R.), Martin Kriebisch (Sozialamtsleiter in der Sozialverwaltung) und Veit Wolpert (FDP, MdL) niedergesetzt. Sie beantworteten die sehr unterschiedlichen Fragen zum ALG-II-Bescheid, zu Verfahrensweisen der Behörde und zu den Möglichkeiten der Betroffenen (Überprüfungsantrag, Widerspruch, Klage vor dem Sozialgericht).

Vor allem die beiden Juristinnen Halina Wawzyniak und Ute Winkler konnten einige Detailfragen der Bürger beantworten, in vielen Fällen musste aber auf den Rechtsweg verwiesen werden. Dies traf bei Fragen zur Streichung des Ernährungszuschuss (Mehraufwendung für besondere Krankheiten) und der Nichtgewährung des sogenannten ALG-I-Zuschusses zu. In diesen Fällen bleibt dem Einzelnen nichts anderes übrig als in Widerspruch zu gehen. Wenn dieser einen negativen Bescheid erhält, dann muss er eine Klage vor dem Sozialgericht einreichen. Ein anderer Betroffener erzählte über einen Bekannten der in einer ABM arbeitet, aber so wenig verdient, dass er eigentlich berechtigt ist, einen ALG-II-Zuschuss zu erhalten. Die ARGE informierte ihn nicht darüber. Die Juristin Halina Wawzyniak bestätigte, dass die Behörde zur Information verpflichtet ist. Der betroffene Bürger sollte schnellsten einen Antrag stellen und im Antrag darauf verweisen, dass er darüber nicht informiert war.

Eine Familie berichtete über zusätzliche Kosten durch den Straßenausbau. Sie wissen nicht, wie sie das bezahlen können. Ihnen wurde der Hinweis gegeben, eine Stundung zu beantragen. Eine Frau erzählte über riesige Schulden, ihr bleibt nur ein Bruchteil vom Regelsatz zum Leben. Diese beiden Extremfälle zeigen, dass mehr getan werden muss, um diesen Menschen zu helfen und ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Den politisch Verantwortlichen der HARTZ-IV-Koalition müssen immer wieder und überall die Folgen ihres Handelns deutlich und drastisch vor Augen geführt werden.

Die ARGE von Bitterfeld wurde viel gescholten. Die Bürger haben oftmals den Eindruck keine ausreichenden Informationen zu erhalten. Das kann heißen, dass die  <//span>ARGE-Mitarbeiter entweder selbst nicht umfassend qualifiziert oder überfordert sind. Einige sprachen auch über Willkür und Unfähigkeit. Die Arbeitweise der ARGE wurde von vielen als unordentlich und rechtswidrig eingeschätzt. Aus eigenen Erfahrungen bestätigte die Juristin Ute Winkler, dass viele Bescheide unverständlich und nicht nachvollziehbar sind. Auch die kleinliche Auslegung des Gesetzes bringt viele Ungerechtigkeiten. Sie verwies auch darauf, dass gegen Haussuchungen rechtliche Mittel eingelegt werden können.

Der Sozialamtsleiter stand als Gesprächspartner für soziale Härtefälle nach SGB 12 bereit. Aus Zeitgründen hat keiner der Anwesenden dies genutzt. Ich denke aber, dass er die vielen angesprochenen Probleme an die verantwortlichen Stellen weiter gegeben hat. Veit Wolpert und Werner Rauball machten den Menschen - Mut für ihr Recht einzutreten und die gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen. Jan Korte verwies neben diesen Möglichkeiten, sein Recht sich zu verschaffen, auch darauf wie HARTZ IV entstanden ist und wer dieses Gesetz „SGB II“ geschaffen und durchgesetzt hat. Er hält es für notwendig, dass das HARTZ-IV-Gesetz durch ein neues sozial gerechtes Gesetz abzulösen ist.

Das Schlusswort hielt Werner Rauball. Die Moderatorin Dagmar Zoschke machte alle Anwesenden darauf aufmerksam, dass die Möglichkeit besteht, sich von den Juristinnen Ute Winkler und Halina Wawzyniak im Bürgerbüro von Jan Korte persönlich beraten zu lassen. Dies nutzten sehr viele.

Bitterfeld-Wolfen, 05.12.2007

gez. Jürgen Keil

 

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