Reich durch unentgeltliche Arbeit!

Von Jürgen Keil, Blickpunkt 08/2012;

Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld (siehe Mitteilungsblatt des LK Anhalt-Bitterfeld, Ausgabe 14/2012) erstellte in Zusammenarbeit mit Kommunen, Behörden und anderen Organisationen vor etwa einem Jahr den Armutsbericht. Dieser Bericht enthielt nach drei Jahren Arbeit nur die Beschreibung der erschreckenden Situation der Verarmung großer Teile der Bevölkerung.

 

 

Von Jürgen Keil

 

Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld (siehe Mitteilungsblatt des LK Anhalt-Bitterfeld, Ausgabe 14/2012) erstellte in Zusammenarbeit mit Kommunen, Behörden und anderen Organisationen vor etwa einem Jahr den Armutsbericht. Dieser Bericht enthielt nach drei Jahren Arbeit nur die Beschreibung der erschreckenden Situation der Verarmung großer Teile der Bevölkerung. Die schlechte Lebenslage für viele Bürger zeigt, wohin die unverantwortliche Sozialpolitik der jeweiligen Bundesregierungen und der einzelnen Landesregierungen, welche ja die Richtung der Politik über den Bundesrat mitbestimmen, führen. Wie zu erwarten war, hat sich mit der Einführung von HARTZ IV im Jahr 2005 die unwürdige Lage für viele Menschen verschärft. Es ist eine Situation entstanden, die für eines der reichsten Länder der Welt sehr bedenklich ist. Hauptverantwortlich für diese erbärmlichen Zustände war die Hartz-IV-Koalition (SPD/Grüne und CDU/CSU/FDP) in den Jahren 2002 bis 2004. Die Führungskräfte dieser Parteien vertreten auch heute noch die Meinung, dass ihre Politik hinsichtlich HARTZ IV prinzipiell richtig war und das Gesetz weiterhin erforderlich ist. Da auch Anhänger dieser Parteien viele Festlegungen des Gesetzes SGB II (HARTZ IV) für ungerecht halten, bemühen sich die Spitzenvertreter dieser Parteien um so genannte „Verbesserungen“. Viele dieser Änderungen wirken sich eher negativ aus. Besonders Jugendliche sind von diesen Verschlechterungen (verstärkte Schikanen, Verlängerung der Unmündigkeit bis zum 25. Lebensjahr „eingeschränkte Wohnungswahl“) betroffen. Auch das Bildungspaket zur „Förderung der Kinder“, welches zuletzt verabschiedet wurde, hilft den betroffenen Kindern in den Familien kaum, da dafür schon vorhandene Hilfen weggefallen sind. Diese so genannte Hilfe dient eher der Kontrolle. Besonders deutlich zeigt sich dies daran, dass viele Familien keine Anträge zum Bildungspaket stellen, da der bürokratische Aufwand viele Betroffene aus berechtigten Gründen abschreckt. Und selbst die geringfügige Regelsatzerhöhung um 10,- Euro ab Jan. 2012 ist durch die steigende Inflation aufgebraucht. Auch Behörden und Unternehmen verlangen höhere Preise und Gebühren. Besonders die Mieterhöhungen von WGW, WBG und NeuBi in Bitterfeld-Wolfen und Umland zeigten das überdeutlich.

Der oben genannte Armutsbericht veranlasste den Kreistag eine Handlungsempfehlung erarbeiten zu lassen. Wie aus dem Bericht des Mitteilungsblattes hervorgeht, wurde auf der Kreistagssitzung vom 28. Juni 2012 der Beschluss der „Bedarfsorientierten Handlungsschwerpunkte zur Milderung der Armut im LK Anhalt-Bitterfeld“ gefasst. Einige Punkte klingen recht positiv, z. B. „gesunde Ernährung und Bewegung von Kindern“. Allein die Art und Weise der Umsetzung dieser Absichtserklärungen wird zeigen, wie ernsthaft die Verringerung der Armut betrieben wird. Viele schon vorhandene soziale Einrichtungen, wie Sozialkaufhaus, Kleiderkammern, Tafeln und Beratungsstellen sollen „dauerhaft erhalten“ bleiben. An eine Erweiterung ist anscheinend zurzeit nicht gedacht. Die Frage ist zu stellen, ob die bestehenden Einrichtungen ausreichend sind, um die steigende Armut zu lindern. 

Was auch nicht neu ist, sind die Qualifizierungen, Schulungen und Praktika, die verstärkt die KomBA vor allem Alleinerziehenden anbieten soll, um die Betroffenen in eine Regelbeschäftigung zu vermitteln. Nun - die Vermittlung in eine Regelbeschäftigung ist für viele Menschen sehr verlockend. Die bisherigen „Bemühungen“ der Arbeitsagentur, ARGE und KomBA brachten meist nur geringfügige und zeitweise Erfolge. Die Betroffenen erhielten meist eine gering bezahlte Beschäftigung. Die Bezahlung genügte gerade so für eine Person. Um eine Familie zu ernähren, reichte der gezahlte Lohn nicht. Diese Beschäftigten im Niedriglohnsektor waren und sind weiterhin von dem Aufstockungsbetrag der KomBA abhängig. Um eine Arbeit im Niedriglohnsektor zu erhalten, verlangt die KomBA von den Betroffenen zusätzliche Leistungen, z. B. Qualifizierungen und Schulungen, die hinsichtlich der zukünftig zu verrichtenden Tätigkeiten einfach überflüssig sind. Tatsächliche Qualifizierungen und Ausbildungen finden kaum noch statt. Die versprochenen Praktika, ebenso wie betriebliche Trainingsmaßnahmen, sind pure Ausbeutung (Entgeltzahlung 0,00 Euro). Diese Maßnahmen können je nach Situation oder nach Einschätzung des jeweiligen Bearbeiters zwischen vier Wochen und einem halben Jahr betragen (siehe Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein AVGS1 bis AVGS3). Nach dieser Zeit bekommt der betroffene  Arbeitslose  eventuell  eine Arbeit, meist im Niedriglohnbereich. 

Enorme Gewinne aus dieser „Aktivierung der Betroffenen“ durch unbezahlte Arbeit erzielen die   Unternehmen und die Trägerfirmen. Der steigende Reichtum auf der einen Seite wird realisiert durch die wachsende Armut bei den betroffenen Niedriglöhnern und Arbeitslosen. Aber diese Armen werden „reich“ von den Medienvertretern der Mächtigen mit vielen „lehrsamen“ Sprüchen bedacht. Diese lauten, z. B.: „Jede Arbeit ist besser als keine! - Der Tag hat wieder eine Struktur!“ Weitere ähnliche Sätze werden kreiert und über die Medien in Umlauf gebracht. Viele Menschen haben mittlerweile gemerkt, aus welcher Richtung dieses Gerede kommt und widerstehen dieser Beeinflussung.

Die Situation für die Arbeitslosen hat sich seit dem Jahr 2004 ständig verschlechtert. Deshalb gilt auch heute die Forderung der Betroffenen und aller  sozial eingestellten Bürger: 

Weg mit HARTZ IV!